Änderung des BGB

Stand 1.1.2002

Die Schuldrechtsreform.

In Heft 8/2001 berichteten wir über zwei Gesetzesvorhaben. Beide sind nun tatsächlich entweder endgültig - Änderung der ZPO - oder so gut wie vollendet. Hier nun Genaueres zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches in seinen wesentlichen Teilen, das ab 1.1.2002 gilt. Mit dem verabschiedeten Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schuldrechts schließt die Regierung das umfassendste Reformvorhaben dieses Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) seit dessen Inkrafttreten vor über 100 Jahren ab.

Gegenstand der Reform sind eine grundlegende Überarbeitung des Kauf-, Werkvertrags-, Verjährungsrechts sowie zahlreiche weitere Änderungen im BGB. Es ist deshalb für die Unternehmen dringend erforderlich, sich bereits jetzt auf die bevorstehenden Änderungen einzustellen und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzupassen - soweit es sich nicht um Dauerschuldverhältnisse handelt, denn deren Anpassung ist erst zum 1.1.2003 erforderlich .

Die einzelnen Änderungen sind juristisch weitreichender für Handwerk und Handel, als allenthalben behauptet. Veröffentlichungen der Regierung zu ihrem Gesetzesentwurf hatten das Ziel der Beruhigung - nach detaillierter Betrachtung ist aber Handeln notwendig, da der Vorrang des Verbraucherschutzes auch kostenseitig in Zukunft verstärkt zu Buche schlagen wird. Ein Ausschluss der Haftung für das Produkt und dessen Beschaffenheit sind so gut wie unmöglich geworden, wenn das Produkt an Endverbraucher abgegeben wird und dazu kommt, dass die Dauer dieser Haftung auf Mangelfreie von 6 Monaten auf zwei Jahre angehoben wird. Neu ist die Haftung für Bauprodukte von fünf Jahren, da auch diese stets nur 6 gesetzliche Gewährleistungs genossen - soweit die Bauprodukte dann eingebaut bzw. verbaut sind, galt für den, der sie einbaute die fünfjährige Gewährleistung nach BGB oder zweijährige nach VOB - also sind 5 Jahre wiederum nicht so neu. Dies bedeutet insgesamt, dass im Falle der Produktabgabe an Letztverbraucher nicht auf neue Allgemeine Geschäftsbedingungen "gewartet" werden sollte, sondern schlicht der Preis neu kalkuliert. Grund hierfür ist die Wahrscheinlichkeitszunahme, dass ein Mangel in 2 Jahren statt 6 Monaten festgestellt wird.

Gewährleistungsfrist verlängert.

Die für die Wirtschaft weitreichendste Folge ist die Änderung der Gewährleistungsfrist. Sie beträgt im Kaufrecht künftig zwei Jahre und beginnt mit der Übergabe der Sache zu laufen. Die Unternehmen werden sich vermehrt auf Gewährleistungsansprüche einzustellen haben - einfach weil die Reklamationszeit verlängert wurde. Aufgrund der Länge der Frist wird dabei oftmals die Beurteilung schwierig sein, ob im Einzelfall tatsächlich ein zum Umtausch berechtigender Fehler der Kaufsache vorliegt oder ob nur ein natürlicher Verschleiß der Ware gegeben ist.

Kauft ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache, handelt es sich also um einen so genannten Verbrauchsgüterkauf, kann die lange Gewährleistungsfrist auch nicht durch Vereinbarung verkürzt werden, also auch dann nicht, wenn sich der Käufer damit einverstanden erklärt. Etwas anderes gilt nur bei gebrauchten Waren. Führt die Vereinbarung zu einer Frist von weniger als einem Jahr, wäre eine Verkürzung der Frist aber auch in diesem Fall nichtig.

Nicht ganz geklärt ist, ob der Kunde die Ware selbst zurück in den Laden bringen muss, wenn er sie dort gekauft hat bzw. der Letztverkäufer sie abholen lassen muss, wenn die Ware geliefert wurde. Feststeht, dass der Kunde keine Kosten für Transport o. a. zu tragen hat. Wichtig ist also, was vertraglich als Leistung vereinbart ist bzw. wo der Erfüllungsort ist. Beim Kauf regelmäßig beim Letztverkäufer. Das bedeutet jedenfalls im Falle der "zweitenAndienung" (Nachbesserung i. S. des alten Werkvertragsrechts), dass der Käufer trotz ursrünglichem Kauf im Laden die "Reparatur" durch Abholung und Lieferung erwarten darf, denn es sollen ihm eben keine weiteren Aufwendungen entstehen. Abzugrenzen ist aber der Fall der Beschädigung der Ware durch Falschbehandlung der Wate - ohnen Anleitungsfehler ("Ikea") - und Kosten der Fahrt zum Kunden für diese Diagnose. Hier muss der Kunde vorher zu Vertragsunterzeichnung im Sinne des neuen BGB und "im Zweifel" stets kostenfrei. Also unter dem Strich fast perfekter Schutz des Kunden - zu Lasten des Letztverkäufers, denn es wird kaum denkbar sein, diese Kosten im Wege des Rückgriffs auf den Hersteller von diesem ersetzt zu bekommen, wenn es sich um den Fall eines boshaften, schädigenden Kunden handelt.

Beweislage des Käufers

Dem Käufer steht aber nicht nur eine längere Gewährleistungsfrist zu. Liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor und kommt es zum Streit, wird ab dem 1. Januar 2002 auch die Beweislage des Käufers gestärkt. Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten ein Sachmangel, so wird nämlich nach neuem Recht zu vermuten sein, dass die Sache bereits bei Erhalt mangelhaft war. Bisher galt, will der Käufer sein Geld zurück, muss er den Mangel beweisen.

Ob verdeckt oder offen - ob wesentlicher Mangel oder nur der Kratzer - die Vermutung in den ersten 6 Monaten: Der Fehler lag bei Übergabe vor. Folge: Dokumentation des Zustands und Bestätigungen des Käufers sind erforderlich. Bei unwesentlichen Fehlern kann nur Minderung verlangt werden. Bei Kenntnis von den Fehlern nichts - nur müssen die Fehler und die Kenntnis dekumentiert sein (Remitenten-Exemplare, who-is-perfect-Ware).

Verkäufer haftet für Herstellerangaben

Neu ist weiter eine Haftung des Verkäufers auch für Herstellerangaben. Wichtigster Fall ist die Werbung des Herstellers, die sich der Letztverkäufer zurechnen lassen muss - übrigens auch Zusagen und Werbung Dritter im Namen des Herstellers oder Firma des Verkäufers. Eine Kaufsache kann also zurückgegeben werden, wenn sie nicht die in der Werbung versprochenen Eigenschaften aufweist. Voraussetzung ist, dass die Werbung die Kaufentscheidung beeinflusst hat. Dies wiederum muss der Käufer offenbart haben.

Montage und Bedienungsanleitung

Weiter neu ist die Regelung, wonach eine mangelhafte Bedienungsanleitung oder Montageanleitung die nachstehend noch einmal dargestellten Ersatzanspruchsfolgen nach sich zieht, weil schlicht der Mangel in der Anleitung - nicht im Produkt - beispielsweise die Rückgabe zulässt - es sei denn, der Verkäufer verfügt über eine berichtigte Anleitung. Hier ist Nacherfüllung möglich.

Nacherfüllungsanspruch

Neu ist das Recht auf Nacherfüllung, welches es so bislang im BGB beim Kauf nicht gab, sich aber oft in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw. im Werkvertragsrecht findet . Hiernach kann bzw. muss der Käufer bei Mangelhaftigkeit der Sache zunächst Nachbesserung oder Nachlieferung verlangen. Die Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten ist aber nur scheinbar. Er darf nur das verlangen, was verhältnismäßig ist - in der Regel also nur, was für den Verkäufer ökonomisch vertretbarer ist. Erst wenn die Nacherfüllung gescheitert ist, hat der Käufer wie bisher ein Wahlrecht auf Wandlung, Minderung oder Schadensersatz. Dem Nacherfüllungsanspruch des Kunden entspricht damit auf Seiten des Verkäufers das Recht zur zweiten Andienung - ähnlich der bisherigen Nachbesserung aus dem Werkvertrag. Gemeint ist inhaltlich das Gleiche - nur aus der Sicht des jeweils anderen Vertragspartners. Aber kein Missverständnis: Das Wahlrecht hat der Käufer. Er kann Mangelbeseitigung oder Nachlieferung mangelfreier Ware/Bauprodukt verlangen. Hierfür ist von ihm eine angemessene Frist zu setzen - welches wiederum in bestimmten gesetzlich vorgesehenen Fällen entbehrlich ist, wie Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit der Kosten. Auch wenn also der Käufer in einen anderen Ort gezogen ist, muss der Verkäufer den Computer dort abholen und zurück zum Hersteller bringen. Wer ihm die entstehenden Kosten ersetzt - dazu später. Bei Neukauf ab 1.1.2002 gelten Allgemeine Geschäftbedingungen (entsprechend bisherigen Regelungen des alten BGB) nicht mehr.

VOB

Wie bisher ist Vereinbarung der VOB statt des BGB in Bauverträgen möglich. Bei der Haftung ergibt sich folgendes: Nach BGB gilt für die Abgabe von Produkten an Verbraucher eine Gewährleistungsfrist von 2 Jahren. Für die Abgabe von Bauprodukten - üblicherweise für die Herstellung von Bauwerken verwendet und den Mangel verursacht (so der Gesetzestext) - bestimmt der Gesetzgeber fünf Jahre Haftung. Grund war der Gedanke, Handwerker zu schützen, die bisher nur selbst gegen den Hersteller ein halbes Jahr vorgehen konnten - gegenüber dem Auftraggeber aber selbst fünf Jahre haften mussten. Nun aber kann es im Falle der VOB-Haftung dazu kommen, dass der Handwerker zwei Jahre haftet - zur Zeit kaum Realität aber möglich - und der Lieferant fünf Jahre, da dieser nie nach VOB, sondern immer nach BGB liefert. Die Möglichkeiten Allgemeiner Geschäftsbedingungen später.

Rückgriffsrecht auf den Zulieferer und Hersteller

Die neuen verbraucherschützenden Vorschriften würden den Handel erheblich belasten, könnten sie nicht ihrerseits ihre Lieferanten effektiv in Anspruch nehmen. Denn oftmals hat den Mangel der Kaufsache ja nicht der Handel, sondern der Hersteller zu vertreten. Das neue BGB stärkt deshalb die Position des Handels erheblich, indem er dem Letztverkäufer unter näheren Voraussetzungen die Möglichkeit gibt, sogar bis zu fünf Jahren bei seinem Lieferanten Rückgriff zu nehmen. Eine Vereinbarung zum Nachteil des Rückgriffsgläubigers ist nur wirksam, wenn ihm etwa im Rahmen eines pauschalisierten Abrechnungssystems ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird. Rechtsgrundlage ist § 478 BGB, der auch den Kostenersatzanspruch zwischen Letztverkäufer und Lieferant - in der Handelskette bis zum Hersteller - begründet.

Mit dem Begriff des pauschalierten Abrechnungssystems meint der Gesetzgeber Vereinbarungen der Lieferanten oder dessen Organisation mit einer Organisation der Letztverkäufer bzw. Verarbeiter des Bauprodukts. Solche gibt es noch nicht.

Da alle Beteiligten in der Verkaufskette zwischen Hersteller und Letztverkäufer Kaufleute im Sinne des Handelsrechts sind, gilt auch § 377 HGB. Entgegen der EU-Richtlinie ist eine halbjährige Rügepflicht des Mangels nicht ins Verbraucherschutzgesetz - also die neuen Kaufrechtsregelungen des BGB - gelangt. Hier rückt die Regelung des § 377 HGB unter Kaufleuten ins Blickfeld. Dies könnte für Letztverkäufer eine Falle werden, wenn sie einerseits gegenüber Verbrauchern uneingeschränkt haftend und andererseits gezwungen sind, wie im Handelskauf leicht ersichtliche Fehler - z. B. Kratzer an der Ware - umgehend zu rügen. Beachtlich ist weiter, dass er mit dem neuen Gesetz gegenüber dem Verbraucher selbst auch für geringfügige Mängel haftet. Dies nun erscheint über AGBs abdingbar, wenn Kaufleute beteiligt sind.

Verbrauchsgüterkauf-Richtline

Grundlage der Regelungen ist die EU-Richtlinie für Verbrauchgüterkauf zwischen dem Verbraucher - definiert jetzt in § 13 BGB - und dem Unternehmer (§ 14 BGB) bzw. dem Letztverkäufer.

Danach lautet

§ 13 Verbraucher

Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.

§ 14 Unternehmer

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.

Zum einen bedeutet dies, dass Selbständige - wie z.B. Rechtsanwälte - aber auch Behörden, die wie ein Betrieb gewerblich oder in ihrem beruflichen Umfeld wie Selbständige handeln, Unternehmer im Sinne des Gesetzes sind. Dies bedeutet weiter, dass im Falle des Kaufvertrages zwischen Verbrauchern ein Abweichen vom Gesetz möglich ist. Das gleiche aber gilt zwischen Kaufleuten nach HGB bzw. unter Unternehmern - vormals Gewerbetreibenden. Allerdings gilt nun weiter, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen sich am BGB und seinen wesentlichen Leitbildern zu orientieren haben (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Hier nun wirkt der neue § 475 BGB, wonach alle Abweichungen - gleich welcher Art - bei Verbrauchsgüterkauf nichtig sind, aber eine Verkürzung bei gebrauchten Waren möglich ist. Hier also erscheint Handlungsspielraum für Allgemeine Geschäftsbedingungen:

Bei Verbrauchsgütern, die nicht neu, sondern gebraucht sind, kann die Garantie auf ein Jahr auch für Verbraucher verkürzt werden. Das Gleiche gilt bei Neuwaren unter Unternehmern bzw. Kaufleuten. Nur der Vollständigkeit halber: Allgemeine Geschäftsbedingungen nach der gesetzlichen Definition schließen sich unter Verbrauchern aus, da die Verträge und Klauseln immer individuell sind. Möglich aber ist der Verkauf von Händlern in Kommission zum Vertragsabschluß zwischen "Privaten". Hier - und das ist anerkannt: unter Privaten - ist dann Haftung in individuellen Verträgen wie früher ausschließbar. Auto per Privat-Verkauf

Für den Verbrauchsgüterkauf gilt:

Einzige echte Möglichkeit des Haftungsausschlusses ist es, alle erkennbaren Fehler zu benennen und damit aus der Garantie zu nehmen (Kenntnis des Käufers).

Bei Kauf unter Unternehmern sind allgemeine Geschäftsbedienungen und spezielle Regelungen im Einzelfall zu unterscheiden. Wie dargestellt, unterliegen Allgemeine Geschäftsbedingungen der - eingeschränkten -gesetzlichen Überprüfung. Bis auf die Regelung des Rückgriffs nach § 478 BGB ist hier alles disponibel. Ratsam ist daher für Letztverkäufer sich bestätigen zu lassen, dass der Käufer Unternehmer ist und seine bisherigen Geschäftbedingungen zur Grundlage zu machen.

Wertersatz

Dem Recht auf Nachlieferung - auch nach fast zwei Jahren noch - steht das Recht auf Wertersatz entgegen. Das bedeutet, dass die Nutzung des mangelhaften PKWs im Falle der Rückgabe ersetzt werden muß. Andererseits besteht eben kein Anspruch auf Nachlieferung eines mangelfreien neuen Fahrzeuges, sondern eines entsprechend Gebrauchten. Dies ist ebenfalls neu.

Mit anderen Worten relativieren sich die Ansprüche der Höhe nach. Rechnet man den Wert der Nutzung eines Neufahrzeuges in den ersten 18 Monaten plus Zeitwert gegen die Lieferung eines neuen PKWs wird es u. U. für den Verkäufer teuer, wenn der Wertverlust höher als die Nutzung ist. Wertneutral wird es, wenn er ein 18 Monate altes Auto - in einwandfreiem Zustand überreicht.

Neues Verjährungsrecht

Umfangreiche Änderungen sieht der Regierungsentwurf auch im allgemeinen Verjährungsrecht vor. Das angestrebte Ziel ist hier eine Vereinfachung. Während das geltende Verjährungsrecht sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Verjährungsfristen auszeichnet, sollen sämtliche Ansprüche künftig grundsätzlich in drei Jahren verjähren. Die Verjährung beginnt aber nicht mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen, zusätzlich ist erforderlich, dass der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Ohne Rücksicht auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis verjährt der Anspruch aber spätestens in 10 bzw. bei einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit in 30 Jahren. Ausnahmen von der dreijährigen Verjährung gibt es im Kaufrecht (s. o.). Einen Spezialfall bilden auch Mängel an Bauwerken, die fünf Jahre lang geltend gemacht werden können. Schließlich sollen bestimmte Ansprüche, zum Beispiel familien- und erbrechtliche Ansprüche oder rechtskräftig festgestellte Ansprüche (sog. Titel - also Urteile und Vollstreckungsbescheide), weiterhin einer 30-jährigen Verjährung unterliegen.

Höherer Verzugszins im Geschäftsverkehr

In Umsetzung der europäischen Zahlungsverzugsrichtlinie wird ab 1.1.2002 - im Zuge der Schuldrechtsreform der gesetzliche Verzugszins von bisher 5 % plus Basiszins auf 8 % plus Basiszinssatz angehoben, soweit es Rechtsgeschäfte betrifft, an denen Verbraucher nicht beteiligt sind. Ansonsten - also gegenüber Endabnehmern - sind bei Verzug weiter nur 5 % plus Basiszins zu verlangen, es sei denn ein höherer Schaden ist nachweisbar.

Neu ist auch ein klarstellendes Wort zur Fälligkeit, das in der Reform mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Forderungen fehlte. Danach trat Fälligkeit automatisch 30 Tage nach Rechnungszugang ein. Jetzt heißt es spätestens nach 30 Tagen - das bedeutet, dass nicht mehr bei "Zahlungszielsetzung" danach noch 30 Tage zu berechnen sind, sondern bereits das gesetzte Datum der Fälligkeit laut Rechnung.

Ehemals eigenständige Verbraucherschutzgesetze nun im BGB-Text integriert

Einen weiteren Änderungsbereich der Reform betrifft die Integration wichtiger Verbraucherschutzgesetze in das BGB. So werde nach dem Entwurf das AGB-Gesetz, das Haustürgeschäftewiderrufsgesetz, das Teilzeitwohnrechtegesetz, das Verbraucherkreditgesetz und das Fernabsatzgesetz in das BGB einbezogen. Eine Änderung des materiellen Rechts ist durch die Einbeziehung aber nicht bezweckt.

Fristhemmung und Neubeginn

Nach bisherigem Verjährungsrecht hatte ein Gläubiger durch Erhebung der Klage, Zustellung eines Mahnbescheids, Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren, Vornahme einer Vollstreckungshandlung, Erwirkung eines Anerkenntnisses etc. die Möglichkeit, eine Unterbrechung der Verjährung zu erreichen. Dies bedeutete, dass die Verjährung nach Ende der Unterbrechung von Neuem zu laufen begann. Nunmehr bewirkt nur noch das Anerkenntnis und die Vornahme einer Vollstreckungshandlung den Neubeginn der Verjährung. Die anderen Fälle führen nur zu einer Hemmung der Verjährung, d.h. nach Ende der Hemmung - Wegfall des hemmenden Tatbestandes - beginnt die Frist weiterzulaufen, mit der bisherigen Restlaufzeit. Neu ist auch, dass die außergerichtlichen Verhandlungen über einen Anspruch zu einer Hemmung der Verjährungsfrist führen. Der Gläubiger ist also zur Verhinderung des Eintritts der Verjährung nicht mehr gezwungen, eine kosten- und zeitaufwendige Klage zu erheben.

Übergangsregelung

Das neue Recht ist auf alle Neuverträge anzuwenden, die ab dem 1.1.2002 geschlossen werden. Folglich sind auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Neuverträgen zugrunde gelegt werden, dem neuen Recht anzupassen. Dauerschuldverhältnisse, wie beispielsweise Miet-, Pacht-, Darlehens-, Dienst- und Gesellschaftsverträge, müssen allerdings nicht bis zum 1.1.2002, sondern erst zum 1.1.2003 dem neuen Recht angepasst werden. Grundsatz für Altvertäge ist: Ist die Verjährungsfrist nach dem neuen Verjährungsrecht länger als nach den bisherigen Vorschriften, so verbleibt es bei der kürzeren Frist.

AGBs - Vorgaben des BGB

Die Gewährleistungsfrist kann im Grundsatz sowohl in Individualverträgen als auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verkürzt werden. Hierbei sind allerdings einige Ausnahmen zu beachten: In Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf die Verjährungsfrist beim Kauf neuer Sachen nicht unter einem Jahr liegen. Im Verbrauchsgüterkauf, d. h. wenn ein Verbraucher eine bewegliche neue Sache von einem Unternehmer kauft, darf die Frist auch in Individualverträgen vor Mitteilung des Mangels nicht auf weniger als zwei Jahre verkürzt werden. Beim Kauf gebrauchter Sachen gilt im Verbrauchsgüterkauf eine Mindestverjährungsfrist von einem Jahr. Es gilt das zum Verbrauchsgüter-Kaufrecht Gesagte.

Bei Dauerschuldverhältnissen ist - siehe Übergangsregelungen - Zeit bis zum 31.12.2002. Für die Metallbaubetriebe gilt weiter die VOB - soweit vereinbart.

- Für die Feinwerktechnischen Betriebe stellt sich die Rechtslage weitgehend neutral dar, da so gut wie nie an Endverbraucher geliefert wird. Sie sind in der Regel Zulieferer, die schon jetzt nach dem Produkthaftungsgesetz hafteten und detailliert die Herstellung dokumentieren mussten. Es sollten dennoch Rückstellungen hinsichtlich Gewährleistungsrückgriffen bedacht werden.

- Für die bürotechnischen Betriebe gilt: Im Notfall Nutzung der alten AGBs für Unternehmer-Verträge, bei Verbrauchern hilft wegen des zwingenden Charakters des Gesetzes nicht viel. Es verbleiben die neuen Rechtslagen, die durch die neuen Gesetzes geschaffen wurde, um sich in AGBs auch auf diese veränderten Gesetze einzurichten. Mit anderen Worten muss unter Einbeziehung der bisherigen Regelungen in den alten AGBs auch noch das ergänzt werden, was das neue Recht ändert.

Weitere Änderungen im Kauf- und Werkvertragsrecht:

Nach § 632 BGB ist ein Kostenvoranschlag im Zweifel nicht zu vergüten. Dies bedeutet wie bisher, dass eine besondere Vereinbarung über die Kostentragung gesondert geschlossen werden muss, um ggf. verrechenbare Vergütungsansprüche zu begründen.

Die bislang eigenständigen Regelungen des Gewährleistungsrechts werden beseitigt und die Ansprüche des Käufers/Bestellers in das allgemeine Leistungsstörungsrecht eingegliedert. Da die Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückkauf aufgegeben wird, besteht beim Vorliegen eines Sach- oder Rechtsmangels immer ein Anspruch auf Beseitigung des Mangels oder Lieferung bzw. Neuherstellung einer mangelfreien Sache. Das Wahlrecht zwischen den beiden Arten der Nacherfüllung hat im Kaufrecht der Käufer (die zweite Andienung ist kein durchsetzbares Recht im eigentlichen Sinne) und im Werkvertragsrecht der Werkunternehmer. Hinweis: Per Definition ist die Garantie die beondere vertragliche Zusage zum Zustand der Ware und seine Folge bei Nichtvorhandensein, die Gewährleistung ist die gesetzliche Haftung den vertraglich oder erwartbaren Zustand herzustellen.

Umgekehrt ist die Wirkung der Änderung im Werkvertragsrecht. War es früher das Recht des Werkunternehmers, erst die wiederholte Mangelbeseitigung (Reparatur) anzubieten bevor der Besteller seine Rechte aus Wandlung, Minderung und Schadensersatz geltend machen konnte, so setzt das Recht des Bestellers zur sog. Selbstvornahme künftig den Verzug des Werkunternehmers mit der Nacherfüllung nicht mehr voraus. Dies bedeutet, dass nicht mehr Nachbesserung statt anderer Rechte durchgesetzt werden muss und zwar wiederholt, sondern es kann der Besteller den Mangel bereits nach erfolglosem Ablauf einer Frist zur Nachlieferung (Nacherfüllung, zweite Andienung) eines mangelfreien Produkts den Mangel sebst beseitigen lassen und den Ersatz seiner zur Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen erlangen. Ist die Nacherfüllung fehlgeschlagen, so kann der Besteller das Recht zur Selbstvornahme also sofort geltend machen.

Verjährungsabrede in AGBs

Die Verjährung der Ansprüche und Rechte des Bestellers wegen Mängeln des Werks ist in § 634 a BGB § 438 BGB geregelt worden. Als Besonderheit gegenüber dem Kaufrecht ordnet § 634 a I Nr. 2 BGB an, dass bei einem Werk, das in einem anderen Erfolg als dem der Herstellung oder Veränderung einer Sache besteht, die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB 3 Jahre gilt, wobei diese Frist nach § 199 BGB erst ab Kenntnis vom Mangel zu laufen beginnt. Damit soll für Beraterverträge und ähnliche Verträge, bei denen eine lange Zeit zwischen Pflichtverletzung und Entstehung oder Erkennbarkeit des Schadens liegen kann, vermieden werden, dass Ansprüche verjähren bevor der Besteller überhaupt die Möglichkeit hatte, seine Ansprüche und Rechte geltend zu machen. Absehbar ist, dass die Abgrenzung der gemeinten Werke Schwierigkeiten bereiten wird (Softwareerstellung: § 634 a I Nr. 2 oder Nr. 3 BGB). Folge insbesondere für die Bürotechnik ist, dass die Hardware-Gewährleistung 2 Jahre nach Übergabe endet, für die Software aber nach dieser Definition erst 3 Jahre nach Kenntnis vom Mangel. Insbesondere die muss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen - soweit zulässig - abbedungen, d. h. verändert geregelt werden - soweit dies wiederum möglich ist.

Besonderheit Schadensersatz im Kaufrecht

Zentrale Norm ist § 280 BGB und die Folgeparagrafen. Danach ist für Schadensersatz generell eine objektive Pflichtverletzung erforderlich und zusätzlich ist das "Vertreten müssen" zu klären - also die Frage ob Verschulden vorliegt. Diese ist in § 276 BGB geregelt. Neu ist nun, dass alle Schuldrechtsvarianten und alle denkbaren Leistungsstörungen über diese Regelungen durch Verweis gelöst werden.

Schwierigkeiten zeigen sich im Einzelfall: So wird in Zukunft der "kleine Webfehler" am Pullover oder der "Kratzer" am Fernsehgerät rechtlich wie folgt gelöst: Im Gegensatz zur heutigen gesetzlichen Regelung sind im Verbraucherrecht diese Mängel zu ersetzen. Die Mängel müssen nicht mehr wesentlich den Gebrauch beinträchtigen. Folglich kann Nacherfüllung auch noch knapp 2 Jahre nach Erwerb mit Fristsetzung verlangt werden. Weder der Pullover, noch der Fernseher ist mehr im Sortiment. Eine Nachbeschaffung kann auch scheitern an unverhältnismäßigen Kosten der Zweitbeschaffung. Ferner wird zulässig sein, einen gebrauchten Pullover bzw. Fernseher zu liefern, der den Mangel nicht hat. Nirgends ist vorgeschrieben, dass Neuware geliefert werden muss. Vielmehr gilt das zum Thema "Wertersatz" Gesagte. Ist die Nacherfüllung vom Unternehmer (Letztverkäufer) abgelehnt worden - gleich aus welchem Grund - oder die Frist ergebnislos abgelaufen, so hat der Käufer das Wahlrecht auf Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz. Für einen Rücktritt gelten die §§ 437, 323 Abs. 2 Satz 2 BGB. Danach ist der Rücktritt wegen Unwesentlichkeit der Pflichtverletzung des Schuldners ausgeschlossen. Die nachträgliche Kaufpreisminderung ist nach den §§ 437 Abs. 2, 441 Abs. 1 Satz 2 möglich, jedoch beträgt nach Aufrechnung mit dem Wertersatz die Minderung in der Regel 0,00 EUR. Schadensersatz schließlich scheitert an "Vertreten müssen" - am Verschulden. Dennoch zeigt dies, dass die Aufnahme des "kleinen Fehlers" schon bei Vertragsschluss wichtig ist.

Tragisch wirkt sich nun auch in diesem Beispiel der Verkauf "reduzierter" Ware aus, denn ein Ausnehmen vom Umtausch ist nicht möglich und im ersten halben Jahr nach Kauf, muss der Letztverkäufer dem Kunden beweisen, dass der Mangel bei Übergabe entweder dem Kunden bekannt war - dies schließt die Rechte aus - oder der Kratzer vom Kunden stammt. Die einfache Klausel, gekauft wie besehen, klappt nicht mehr. Folge kann nur sein, dass ein unterschriebenes Übergabeprotokoll einschließlich Funktionsprüfung Sicherheit für der Verkäufer bietet.

Der Fall des § 434 Abs. 1 BGB sei erwähnt, wonach die gekaufte Sache einwandfrei sein kann, alle Rechte vom Käufer für Mangelschaden geltend gemacht werden können, wenn die Anleitung inhaltlich falsch war. Das gleiche gilt für die Gebrauchsanweisung. Ist diese Gebrauchsanweisung in der Zukunft auch für das Einschrauben von Glühbirnen erforderlich?

Fazit für neue AGBs

Fast jeder Jurist ist derzeit überfragt, sachgerechte AGBs zu verfassen, ohne selbst in Haftung zu geraten. Erwarten Sie daher keine schnelle Lösung der hier nur kurz angerissenen Probleme durch die alte Methode der Geschäftsbedingungen. Der Gesetzgeber hat durch die Unumgehbarkeit bei Abgabe von Produkten an Endverbraucher keinen derzeit erkennbaren Raum gelassen.

Wie dargestellt sind AGBs gegenüber gewerblichen Kunden der neuen Definition "Unternehmer" möglich.

 

 

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