Lehrlingswesen
Anrechnung des Berufsschulbesuchs auf die wöchentliche Ausbildungszeit.
Wiederholt wurden im Mitteilungsblatt der Berliner Innung Urteile dargestellt, die die Aussage beinhalteten, dass die Berufsschulzeit keine Arbeitszeit im Sinne des Tarifvertrages ist, sondern nach dem Berufsbildungsgesetz konzipiert ist, das 40 Stunden und nicht wie der Tarifvertrag 37 Stunden in der Woche zur Grundlage hat. Folglich ist eine Anrechnung nicht möglich.
In einer neuen Entscheidung bestätigt dies das Bundesarbeitsgericht.
Die Beklagte bildete im entschiedenen Fall den volljährigen Kläger zum Einzelhandelskaufmann aus. Nach dem für das Ausbildungsverhältnis geltendem Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Einzelhandel in Bayern betrug die regelmäßige wöchentliche Ausbildungszeit 37,5 Stunden. Der Kläger hatte von dienstags bis freitags je 8 Stunden und am Montag 5,5 Stunden zu arbeiten. An diesem Tag nahm er regelmäßig 8 Stunden am Berufsschulunterricht teil. Hierfür stellte ihn die Beklage frei. In einer Betriebsvereinbarung ist eine wöchentliche Ausbildungszeit von 40 Stunden bestimmt und geregelt, dass der erste Berufsschultag in der Woche mit 8 Stunden vergütet wird. Daraufhin hat der Kläger die Zahlung von Mehrarbeitsvergütung für 2,5 Stunden wöchentlich verlangt. Alle Instanzen wiesen die Klage ab.
Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass der Auszubildende keine Mehrarbeit geleistet hat. Der Berufsschulbesuch war nicht mit insgesamt 8 Stunden auf die wöchentliche Ausbildungszeit anzurechnen. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Nach § 7 Abs. 1 BBiG ist der Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freizustellen. Ihm ist die Vergütung für die Zeit der Freistellung fortzuzahlen. Überschreitet die Dauer des Berufsschulunterrichts die an diesem Tag zu leistende Ausbildungszeit, ist die darüber hinaus für die Teilnahme am Berufsschulunterricht aufgewendete Zeit nicht auf die wöchentliche Ausbildungszeit anzurechnen. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 1 JArbSchG enthält eine entsprechende Anrechnungsvorschrift nur für Auszubildende unter 18 Jahren.
Hinweis:
Besonderheit des Falles ist eine unsinnige Betriebsvereinbarung. Das Gericht stellte hierzu weiter fest, dass auf der Lehrling sich auf die im Ausbildungsbetrieb geltende Betriebsvereinbarung nicht berufen kann. Sie ist tarifwidrig (§ 77 Abs. 3 BetrVG).