Arbeitnehmer- Entsendegesetz: Zu den Voraussetzungen für tarifvertragliche Ansprüche der Soka Bau
 
Das System der Bauindustrie im Hinblick auf soziale Leistungen – nach Tarif oder Gesetz – basiert auf einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag des Baugewerbes, wonach die Arbeitgeber nicht nur Sozialabgaben und Steuern zu zahlen haben, sondern zusätzlich in eine Sozialkasse des Baugewerbes die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaub, Sonderzahlungen und Winterbau einzahlen müssen und der Arbeitnehmer direkte Ansprüche gegen die Kasse erwirbt. Der Nachteil ist, dass das Geld sofort aus den Betrieben läuft, jedoch nicht anlässlich des Urlaubs oder des Jahreswechsels. Die Formulierung dieses Tarifvertrages, wen er betreffen soll, ist bemerkenswert kompliziert gestaltet – letztlich mit dem Ziel möglichst viele Betriebe dem Bereich Bau zuzuordnen. In einem bereits erwähnten Urteil hat das höchste Arbeitsgericht – das Bundesarbeitsgericht – entschieden, dass eine klare Regelung gefunden werden muß, ohne Interpretationsurteile der Gerichte.
Der Bundesverband Metall hat nun eine Vereinbarung getroffen, die die Anwendbarkeit des bezeichneten Tarifvertrages auf das Metallhandwerk ausschließt, soweit der Mitgliedsbetrieb entweder vor dem 1.1.2003 Mitglied einer Metallinnung in Berlin-Brandenburg geworden ist oder weniger als zu 50 % Montage von Fremdteilen betreibt.
Das Arbeitnehmerentsendegesetz ist auf das Metallhandwerk bei Abfassung dieses Artikels nicht anwendbar, da ein bundesweiter Tarifvertrag über einen Mindestlohn nicht existiert und nicht geplant ist. Geplant aber ist seitens der derzeitigen Bundesregierung eine Änderung des Entsendegesetzes, wonach die Bundesregierung im Falle der Weigerung einer Branche selbst gesetzlich Mindestlöhne festsetzen will, die nicht nur bei Entsendung wirken sollen, sondern in Deutschland generell einen Mindestlohn festsetzen – ähnlich den Regelungen anderer Länder.
In einem nun kürzlich entschiedenen Falle wurde die Frage geklärt, ob ausländische Betriebe – hier eine Stahlbaufirma aus Polen – abgabepflichtig an die Sozialkasse des Baugewerbes ist. Anknüpfungspunkt ist nicht der Betriebssitz – wie sonst in Tarifverträgen üblich – sondern der Einsatzort. Dies war Deutschland.
Das  BAG entschied, das grundsätzlich der Tarifvertrag auch auf ausländische Firmen anwendbar ist. Die Erstreckung von Rechtsnormen eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags des Baugewerbes auf ein Arbeitsverhältnis zwischen einem ausländischen Arbeitgeber und seinen im Geltungsbereich des Tarifvertrags beschäftigten Arbeitnehmern setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber in seinem Betrieb überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % Bauleistungen erbringt. Dies konnte seitens der klagenden Soka Bau nicht bewiesen werden.
In dem hier entschiedenen Verfahren nahm eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe eine polnische Gesellschaft (Arbeitgeberin) in Anspruch auf Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für 16 Arbeiter, die von September bis Dezember 2000 in Deutschland tätig waren. Die Vertreter der Urlaubskasse behaupteten, die Arbeitgeberin in  Polen sei ein baugewerblicher Betrieb, der Trocken-, Montage- und Fassadenbau betreibe. Nach § 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) in Verbindung mit dem allgemeinverbindlichen deutschen Tarifvertrag sei sie daher verpflichtet, Urlaubskassenbeiträge zu zahlen.
Die polnische Arbeitgeberin hielt dem entgegen, sie produziere ganz überwiegend Stahlkonstruktionen für den Markt zum Verkauf. Nur in geringem Umfang montiere sie diese Konstruktionen auch selbst. Sie legte im Verfahren vor dem Arbeitgericht  und dem Landesarbeitsgericht zwei Aufstellungen vor, in denen jeder ihrer Aufträge im Jahr 2000 genau bezeichnet war und genaue Angaben über die darauf verwendeten Arbeitsstunden enthalten waren. Sie schlüsselte auch genau auf, welche dieser Arbeiten sie dem Baugewerbe zurechnet.
Diese Aufstellungen waren ausschlaggebend, denn der Anspruch aus dem AEntG hängt davon ab, dass die Arbeitgeberin zu mehr als 50 %, „Bauleistungen“ erbringt. Was Bauleistungen sind, entnimmt das Bundesarbeitsgericht aus § 211 SGB III, nämlich die Herstellung, Instandsetzung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken. Dann hat ein ausländischer Arbeitgeber ebenso wie ein deutscher den im Geltungsbereich eines deutschen Tarifvertrags beschäftigten Mitarbeitern mindestens die in Deutschland geltenden tariflichen Bedingungen zu gewähren. Dazu gehört die Urlaubskasse.
Durch die detaillierten Aufstellungen ihrer Aufträge und der erbrachten Arbeitsstunden im Rahmen dieser Arbeiten hat aber die Arbeitgeberin verdeutlicht, dass erheblich weniger als 50 % ihrer Tätigkeiten der Definition von Bauleistungen entsprachen. Dem hätten die Vertreter der Urlaubskasse ebenso detailliert entgegentreten und darlegen müssen, dass die polnische Arbeitgeberin in erheblich größerem Umfang auf dem Gebiet des Baus tätig war.

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