Krankheitsbedingte Kündigung - Betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX
Ist ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, hat der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unter Beteiligung des betroffenen Arbeitnehmers und der Interessenvertretung zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Kündigt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus krankheitsbedingten Gründen, ohne zuvor dieses betriebliche Eingliederungsmanagement durchgeführt zu haben, so führt dies nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen. Die gesetzliche Regelung ist aber auch nicht nur ein bloßer Programmsatz, sondern Ausprägung des das Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Führt der Arbeitgeber kein betriebliches Eingliederungsmanagement durch, kann dies Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten haben. Der Arbeitgeber kann sich dann nicht pauschal darauf berufen, ihm seien keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten bekannt.
Dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der mit einem Grad der Behinderung von 30 einem Schwerbehinderten nicht gleichgestellte Kläger seit 1981 bei der Beklagten als Maschinenbediener beschäftigt. Seit März 2002 war er wegen eines Rückenleidens durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte daraufhin die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers Ende Oktober 2004 fristgemäß.
Der Kläger hat sich mit seiner Klage gegen diese Kündigung gewandt und geltend gemacht, bei entsprechender Ausstattung seines Arbeitsplatzes sei sein Einsatz als Maschinenbediener weiterhin möglich. Die Beklagte hätte ihn durch eine Umgestaltung anderer Arbeitsplätze auch anderweitig einsetzen können. Hierzu sei sie auf Grund des betrieblichen Eingliederungsmanagements verpflichtet gewesen. Die Beklagte hält die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung für gegeben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitsfähigkeit des Klägers könne auf unabsehbare Zeit nicht wieder hergestellt werden. Auch eine Beschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz sei nicht mehr in Betracht gekommen.
Das Bundesarbeitsgericht verlangt nun die Klärung, ob ein leidensgerechter Arbeitsplatz vorhanden ist bzw. durch eine zumutbare Umgestaltung der Betriebsabläufe geschaffen werden könnte.
Merke:
In der Praxis des Handwerks hat sich die Erforderlichkeit dieses „Managements“ noch nicht herumgesprochen. Häufige und lange Fehlzeiten werden registriert ohne Reaktion des Betriebsinhabers. Dem steht auch in der Tat entgegen, dass der Arbeitnehmer eben nicht offenbaren muß, welche Krankheiten bestehen, soweit nicht leidensbedingt Änderungen – ggf. ärtzlich attestiert – in Bezug zum Arbeitsplatz erforderlich sind. Hier nun aber dreht sich die Anforderung an das Handeln um, wenn eine Kündigung beabsichtigt ist. Erforderlich ist die Nachfrage nicht zur Krankheit, sondern zu Unterstützungsmaßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten. Unter Verweis auf die arbeitgeberliche Pflicht aus § 84 Abs. 2 SGB IX muß ersteinmal – sinnvollerweise zum Nachweis schriftlich – aufgefordert werden, Stellung zu nehmen, wie die häufigen bzw. langen Arbeitsunfähigkeiten möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Genau dies verlangt das Gesetz.