Arbeitsrechtsänderungen ab 1.1.2004

A. Änderungen im Kündigungsschutz

Neuer Schwellenwert: 10 Arbeitnehmer

In Betrieben mit zehn oder weniger Arbeitnehmern gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht für Arbeitnehmer, deren vereinbarter Beginn des Arbeitsverhältnisses nach dem 31. Dezember 2003 liegt. Daneben bleibt es beim bisherigen Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern. Das heißt, für bereits in diesen Betrieben – kleiner 6 - beschäftigte Arbeitnehmer, ändert sich nichts. Arbeitnehmer, die Kündigungsschutz haben –zwischen 6 und 10 - behalten ihn, so lange sie in dem betreffenden Betrieb tätig sind.

Sonderregelung für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis in einem Betrieb bis zehn Beschäftigte am 31. Dezember 2003 besteht und für die das Kündigungsschutzge-setz deshalb noch nicht gilt, weil ihre Betriebszugehörigkeit weniger als sechs Mona-te beträgt (Wartezeit): Diese haben auch dann, wenn die Wartezeit erst im Jahr 2004 abläuft, Kündigungsschutz unter Zugrundelegung des bisherigen Schwellenwertes von fünf Arbeitnehmern. Der Kündigungsschutz selbst aber richtet sich auch für diese Arbeitnehmer nach dem geänderten Kündigungsschutzgesetz. Es finden also die nachfolgend erläuterten Änderungen Anwendung.

Hinweis: Bei der Ermittlung der neuen Schwelle von zehn Beschäftigten bleibt es bei der schon geltenden anteiligen Berücksichtigung Teilzeitbeschäftigter (bis 20 Wo-chenstunden 0,5, bis 30 Wochenstunden 0,75, darüber volle Berücksichtigung).

Bei der Kündigung ab 1. Januar 2004 sind folgende Konstellationen zu entscheiden:

Variante 1:

Ein Betrieb mit 10 Arbeitnehmern, davon 5 Alt-Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2003 im betrieb beschäftigt waren und 5 Neueingestellte-Arbeitnehmer, deren Ar-beitsverhältnis nach dem 31. Dezember 2003 begonnen hat:

Kein Arbeitnehmer hat Kündigungsschutz

Variante 2:

Ein Betrieb mit 10 Arbeitnehmern, davon 6 Alt-Arbeitnehmer und 4 Neueingestellte: Kündigungsschutz bei Kündigung eines Alt-Arbeitnehmers, denn für ihn gilt die „Schwelle 5“ und kein Kündigungsschutz bei Kündigung eines Neueingestellten, denn für ihn gilt die „Schwelle 10“.

Variante 3:

Ein Betrieb mit 11 Arbeitnehmern, davon 6 Alt-Arbeitnehmer und 5 Neueingestellte: Kündigungsschutz für alle Arbeitnehmer, aber unterschiedliche Folgen der Entlas-sung:

- Bei Entlassung eines Neueingestellten verlieren alle Neueingestellten den Kündigungsschutz, weil „Schwelle 10“ unterschritten wird.

- Bei Entlassung eines Alt-Arbeitnehmers verlieren alle Arbeitnehmer den Kündigungsschutz, weil für Alt-Arbeitnehmer die „Schwelle 5“ und für die Neueingestellten die „Schwelle 10“ unterschritten wird.

Regel:

Für Alt-Arbeitnehmer sind die „Schwelle 10“ und die „Schwelle 5“ zu beachten. Für Neueingestellte ist nur die „Schwelle 10“ zu beachten.

Änderung in der „Sozialauswahl“:

Bei der Sozialauswahl sind ab 1.1.2004 vier Grunddaten zu berücksichtigen: Dauer der Betriebzugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Von der Sozialauswahl können diejenigen Arbeitnehmer ausgenommen werden, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse und Leistungen („Leistungsträger“) oder zur Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

Bei bestehendem Betriebsrat gilt: Die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl wird auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat (z.B. wegen Betriebsteilschließung) einen Interessenausgleich vereinbart und die zu kündigenden Arbeitnehmer in einer Namensliste benannt haben. Die Änderungen im Rahmen der Sozialauswahl durch die Begrenzung der Sozialauswahlkriterien, die Möglichkeit der Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl sowie die Möglichkeit der Vereinbarung von Namenslisten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen eines Interessenausgleichs schaffen mehr Rechtssicherheit.

Abfindungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen:

Bei der betriebsbedingten Kündigung kann der Arbeitnehmer wählen, ob er gegen die Kündigung klagt oder eine gesetzliche Abfindung in Höhe von einem halben Monatsverdienst je Beschäftigungsjahr beansprucht. Dieser Anspruch hängt von dem ausdrücklichen Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben ab, dass die Kündigung auf dringend betriebliche Erfordernisse gestützt wird und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Einen generellen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Abfindung bei betriebsbedingten Kündigung hat der Gesetzgeber nicht geschaffen. Bei einer positiven Einschätzung der prozessualen Aussichten sollte das Angebot zur Zahlung einer Abfindung bei Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist nicht in der Kündigungserklärung enthalten sein. Klagt der Arbeitnehmer dann, kann im Arbeitsgerichtsprozess später immer noch ein Abfindungsvergleich geschlossen werden.

Der Mindestinhalt einer Kündigung mit Abfindungsangebot sollte wie folgt lauten: „Die Kündigung erfolgt aus betriebsbedingten Gründen. Bei Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist steht Ihnen ein Abfindungsanspruch von einem halben Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu.“

Unabhängig von dem Vorstehenden soll das Kündigungsschreiben am Ende den Hinweis enthalten, dass der Arbeitnehmer zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld verpflichtet ist, sich unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach Erhalt der Kündigung persönlich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden. Weiterhin ist der  Arbeitnehmer verpflichtet, aktiv nach einer Beschäftigung zu suchen – wir hatten an anderer Stelle auf diese Regelung aus Mitte 2003 hingewiesen.

Einheitliche Klagefrist für Kündigungsschutzklagen

Für alle Kündigungsschutzklagen gilt eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen. Der Arbeitgeber muss also die Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung - unabhängig von der Art des Unwirksamkeitsgrundes und auch unabhängig davon, ob das Kündigungsschutzgesetz im übrigen auf das Arbeitsverhältnis Anwendungen findet – innerhalb von drei Wochen durch Klage beim Arbeitsgericht gelten machen. Im Gesetz wird klargestellt, dass die Klagefrist erst mit Zugang der schriftlichen Kündigung beginnt.

B. Teilzeit und Befristungsgesetz: Erleichterte Befristung für Existenzgründer

In den ersten vier Jahren des Bestehens eines neu gegründeten Unternehmens, nicht jedoch bei Neugründung im Zusammenhang einer rechtlichen Umstrukturierung eines Unternehmen und Konzernen, ist künftig der Abschluss von befristeten Ar-beitsverträgen ohne Sachgrund bis zur Dauer von vier Jahren zulässig. Als Gründungszeitpunkt gilt die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist.

Die Anzahl der Vertragsverlängerungen ist nicht begrenzt. Sie müssen aber lückenos aneinander anschließen. Ein befristeter Vertrag bis zur Dauer von vier Jahren kann auch in bereits bestehenden Unternehmen abgeschlossen werden, wenn die Unternehmensgründung bei Vertragsbeginn nicht länger als vier Jahre zurück liegt. Eine bis zu vierjährige Befristung ist auch noch kurz vor Ablauf der vierjährigen Gründungsphase möglich. Der bloße Vertragsabschluss genügt aber nicht. Es kommt auf dem Zeitpunkt der vereinbarten Arbeitsaufnahme an.

Wie sachgrundlose Befristungen nach bisherigen Recht sind allerdings auch Existenzgründerbefristungen nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer zuvor schon bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war, also insbesondere dann, wenn der Arbeit-nehmer, der zu Beginn der Gründungsphase eingestellt wurde und zwischenzeitlich ausgeschieden ist und – hier im Beispiel innerhalb der vierjährigen Gründungsphase - erneut ohne Sachgrund eingestellt werden soll.

C. Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes

Eine gravierende Änderung ab 01.01.2004 stellt der Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern mit vergleichbaren Arbeitnehmern des Entleihbetriebes bereits ab dem ersten Tag der Überlassung dar. Nach dem alten Recht galt der Grundsatz der Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers erst ab dem 13. Monat der Überlassung.

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz hat der Verleiher seinem Leiharbeitnehmer vom ersten Tag der Überlassung an die in dem Einleihbetrieb für einen vergleichba-ren Stammarbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Zu denn wesentlichen Arbeitsbedingungen gehören das Arbeitsentgelt zuzüglich der Zuschläge, Zulagen und andere Lohnbestandteile, die Dauer der Arbeitszeit und des Urlaubs oder die Nutzung sozialer Einrichtungen. Demnach kann ein Leiharbeitnehmer auch die für einen vergleichbaren Stammarbeitnehmer des Entleihbetriebes gezahlten Überstundenzuschläge, Erschwerniszulagen, ein zusätzliches Urlaubsgeld etc. beanspruchen, soweit er die jeweiligen Voraussetzungen für solche Zahlungen erfüllt. Kommt bei dem Entleihbetrieb ein Tarifvertrag zur Anwendung, so sollen nach der amtlichen Begründung des seinerzeitigen Gesetzentwurfs die in diesem Tarifvertrag geregelten Arbeitsbedingungen „wesentliche Arbeitsbedingungen“ des Entleihbetriebes sein, welche künftig der Leiharbeiter von seinem Arbeitgeber, dem Verleiher, bereits ab dem ersten Tag der Überlassung beanspruchen kann.

Hervorzuheben ist, das sich der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Gewährung derselben Arbeitsbedingungen wie vergleichbare Stammarbeitnehmer auch nach neuem Recht grundsätzlich  gegen den Verleiher richtet und nicht gegen den Entleihbetrieb. Dies gilt auch dann, wenn der Verleiher seiner Pflicht zur Gleichbehandlung des Leiharbeitnehmers nicht nachkommt.

Vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern mit vergleichbaren Stammarbeitnehmern des Entleihers gibt es jedoch eine wesentliche Ausnahme. Durch einen für den jeweiligen Verleiher und Leiharbeitnehmer geltenden Flächen- oder Haustarifvertrag kann von der gesetzlichen Verpflichtung des Verleihers zur Gewährung der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ für vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihbetriebes auch zu Ungunsten des Leiharbeitnehmers abgewichen werden.

So weit auf das konkrete Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein Tarifvertrag  der Zeitarbeitsbranche Anwendung findet – entweder Kraft beiderseitiger Tarifbedingung von Verleiher und Leiharbeitnehmer oder durch arbeitsvertragliche Bezugnahme – kommt der Grundsatz der Gleichbehandlung somit nicht zur Anwendung.

Gegenwärtig bestehen für die Zeitarbeitsbranche insgesamt vier Branchentarifverträge. Der Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) und der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (IGZ) haben jeweils mit der Ta-rifgemeinschaft des DGB – darunter IG Metall, Ver.di und IGBCE – Tarifverträge abgeschlossen. Weitere Branchentarifverträge mit bundesweitem Geltungsanspruch haben die Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen (INZ) sowie die Mittelstandsvereinbarung Zeitarbeit (MVZ) abgeschlossen, und zwar mit der „Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA“.

Für unsere tarifgebundenen Mitgliedsfirmen gelten die vorstehend genannten Tarifverträge nicht.

 

www.edvschmidt.de